www.mz-web.deDESSAU-ROSSLAU, 11.04.2009
Seitenturm
Andreas Seidler (l.) und Christoph Guderias von der Firma Adams GmbH Ströbeck haben den momentan höchsten Arbeitsplatz in Dessau.    (FOTOS: T. RUTTKE)
Böse Überraschungen unter historischer Dachspitze

Neuer Wasserturm:
Marode Balken und Träger lassen Sanierungskosten steigen

VON STEFFEN BRACHERT

Dessau/MZ. Der Mann im ruckelig-langsamen Fahrstuhl kann nicht wirklich beruhigen. "Das Ding ist sicher." Zwanzig Meter über dem Erdboden sollte das auch so sein. Wer hatte eigentlich die Idee, die Spenden-Schecks für den Neuen Wasserturm in mindestens 30 Metern Höhe und auf einer wenig Vertrauen erweckenden Zwischenplattform zu übergeben?
 
Alte Ziegel sind entfernt
 
Hoch oben warten die Freunde des Neuen Wasserturms und begutachten auf wackeligem Untergrund die ersten Arbeiten am Dachstuhl. Von dem ist nicht mehr viel übrig. Die alten Ziegel sind entfernt. Übrig geblieben ist eine hölzerne Konstruktion, die marode ist. An ganz unterschiedlichen Stellen. "Es gibt", sagt Wilhelm Kleinschmidt vom Förderverein für den Wassertum , "keine Logik." Balken für Balken musste untersucht werden. Mit zum Teil ernüchternden Erkenntnissen.


Hans Tobler, Thomas Zänger und Gelb-Rot-Präsident René Kranhold halten die symbolischen Schecks, die am Donnerstag übergeben wurden.
Blick von unten auf die neu eingezogene Hilfsplattform. Matthias Unger arbeitet am Dachstuhl des Wasserturms.

Die Sanierungsarbeiten am 1897 eingeweihten Dessauer Wahrzeichen haben begonnen. "Jetzt, da das komplette Dach freigelegt ist, hat sich der tatsächliche Zustand offenbart", erläutert Kleinschmidt, zweiter Vorsitzender des Vereins. "Deutlich wurde dabei, dass die Schäden noch viel größer sind, als wir das erwartet hatten. Dies betrifft nicht nur die Dachträger, sondern auch den Korrosionsschutz an der Stahlkonstruktion. Details prüfen wir gerade."
 
Kosten deutlich gestiegen
 
Auf 250 000 Euro hatten Optimisten einst die Kosten geschätzt, den Neuen Wasserturm erst einmal zu sichern. Vorsichtige Schätzungen gehen inzwischen von 450 000 Euro aus. "Unser Verein ist weiterhin auf jede Spende angewiesen", sagt Hans Tobler, Stadtwerke-Chef und Vorsitzender des Fördervereins. Erhört wurde der Hilferuf von den Karnevalisten der Stadt. Die Dessauer Sonnenköppe erwarben symbolisch elf Dachziegel und spendeten damit 110 Euro für die Sanierung des Neuen Wasserturms. Ebenso engagiert war die Erste Große Dessauer Karnevalsgesellschaft Gelb-Rot.
 
"Wir sind ein Traditionsverein vor Ort und natürlich auch mit den Traditionen unserer Stadt verbunden - der Neue Wasserturm gehört als Denkmal ohne Zweifel dazu" , bekräftigt Vereinspräsident René Kranhold. Der Verein hat deshalb während der vergangenen Session seine Mitglieder und Freunde zu Spenden aufgerufen. " Ziel war es, für jedes Jahr des Bestehens einen Dachziegel zu spenden - im 55. Vereinsjahr sind das genau 55 Dachziegel für 550 Euro. Das haben wir geschafft" , freut sich Kranhold, der die Spende gemeinsam mit Vizepräsident Hartmut Pannier an den Wasserturm-Verein übergab.
 
Den dritten und größten Scheck überreichte Thomas Zänger, Geschäftsbereichsleiter der Stadtwerke Dessau, Präsident des Handball-Zweitligisten Dessau-Roßlauer HV und Mitglieder des Wasserturm-Fördervereins. An seinem 50. Geburtstag hatte sich Zänger statt vieler Geschenke Spenden für eben jenen Wasserturm gewünscht. "Ich bin gebürtiger Dessauer und mit dem Wahrzeichen groß geworden. Es ist schön, wenn man selbst auch etwas zurückgeben kann." In Zängers Fall sind das 2 590 Euro.
 
Es sind die vielen kleinen Spenden, die zeigen, wie wichtig den Dessauern ihr Wasserturm ist. " Um richtig voranzukommen, brauchen wir aber auch große Summen" , gibt Kleinschmidt zu. In den letzten Wochen hat es da aber ein paar Rückschläge gegeben. Die Abteilung Denkmalschutz beim Landesverwaltungsamt hat eine Förderung versagt, auch bei der Ostdeutschen Sparkassenstiftung warb man erfolglos. Bei den Stadtumbaugeldern ist der Verein bislang ebenso leer ausgegangen. " Da sind wir aber noch dran" , erklärt Kleinschmidt und sieht mit Wolfgang Schmieder, Chef des Bauverwaltungsamtes der Stadt Dessau-Roßlau, einen engagierten Mitstreiter an seiner Seite.
 
Gute Nachrichten gab es aber auch. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gibt 25 000 Euro. Auch wenn sich die Wasserturm-Fans insgeheim mehr erhofft hatten. Zumal auch Lotto-Toto Sachsen-Anhalt sich für den Wasserturm entschieden hat. Nicht zuletzt dank des Einsatzes von Oberbürgermeister Klemens Koschig. "Er", bestätigt Kleinschmidt, "hat unseren Rauswurf aus der Förderrunde verhindert." Jetzt gibt es 52 000 Euro.
 
"Dies ein positives Signal, von dem wir hoffen, dass es noch viele weitere Förderer zur Hilfe motiviert", sagt Tobler. Knapp 200 000 Euro hat der Verein bisher an Spenden und Fördergeldern zusammengetragen. Eine stolze Summe, dennoch ist es nicht einmal die Hälfte des Benötigten.
 
Firmen helfen tatkräftig
 
Die am Bau beteiligten Firmen ziehen mit, helfen mit guten Angeboten. "Da kann man nur den Hut ziehen", lobt Kleinschmidt. Ein Problem aber bleibt. Das Gerüst steht. Die Arbeiten laufen. Am Donnerstag wurde beispielsweise die Dachspitze per Kran geborgen, um sie am Boden aufzuarbeiten. "Wir können nicht einfach aufhören", erklärt Tobler das Dilemma. Das Gerüst abzubauen und später wieder aufzubauen kosten Geld, das Stehenlassen Tag für Tag allerdings auch. "Angesichts des Mehraufwandes, der auf uns zukommt", weiß Tobler, "brauchen wir Spenden dringender denn je."


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